Einführung zum Thema Radikalisierung

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Radikalisierung beschreibt den Prozess, in dem eine oder mehrere Personen sich zunehmend extreme politische, soziale oder religiöse Sichtweisen aneignen. Als extrem können die Inhalte bezeichnet werden, wenn sie sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richten, von der die Gleichwertigkeit aller Menschen ausgeht. Personen, die sich extremistische Parolen zu eigen machen, sprechen anderen Menschen genau diese Gleichwertigkeit ab. Je nach extremistischer Ausrichtung ist hier manchmal eine moralische Gleichwertigkeit gemeint, manchmal eine biologische, manchmal eine kulturelle. Extremistische Akteure – egal ob rechtsextremistisch, islamistisch, linksextremistisch oder andere – legitimieren über ihre Propaganda Gewalt gegen diejenigen Menschen, die sie anderen Gruppen zuordnen.
Die markierten Gruppen werden als Bedrohung für das Eigene angesehen: Die eigene Kultur, die eigene Religion, die eigene genetische Reinheit, die eigene Autonomie – je nachdem, in welche Ausprägung des Extremismus Sie hineinschauen.
Radikalisierung, die auch in Hassverbrechen oder terroristischer Gewalt münden kann, findet ihren Anknüpfungspunkt häufig in einem gesellschaftlichen Reservoir an Vorurteilen und menschenfeindlichen Einstellungen. Extremistischen Taten gehen häufig Worte voraus, sodass es sinnvoll ist, auf entsprechende Warnsignale zu achten. Dies können zum Beispiel menschenfeindliche Äußerungen sein.
Wenn du den Verdacht hast, dass sich eine Person radikalisiert, solltest du deine Beobachtung unbedingt an eine Führungskraft weitergeben. Im Fall, dass du Kenntnis über eine durchgeführte bzw. bevorstehende Straftat erlangst, solltest du dies unbedingt an die Polizei melden. Hier sind etwa Gewaltankündigungen gemeint.

Wie kann ich Radikalisierung erkennen?

Vielleicht stellst du dir jetzt die Frage: Wie kann ich überhaupt feststellen, ob es sich möglicherweise um eine Radikalisierung handelt? 
Es gibt einige sehr robuste Verhaltensindikatoren, die auf eine extremistische Radikalisierung hindeuten können. Etwa, wenn eine Person extremistische Inhalte, die Gewalt legitimieren, konsumiert, produziert oder verbreitet, auch generell die Gültigkeit der freiheitlich demokratischen Grundordnung anzweifelt, und sich vor diesem Hintergrund wiederholt intolerant und diskriminierend gegenüber anderen Personengruppen verhält. Höre zudem genauer hin, wenn sich eine Person in positiver Weise mit Anschlägen oder Attentäter:innen beschäftigt, bzw. ihre Gewalttaten befürwortet. Vielleicht ist dir auch aufgefallen, dass die Person sich vermehrt extremistischen Gruppen zuwendet und sich aus nicht-extremistischen sozialen Beziehungen mehr und mehr zurückzieht? Wichtig ist, dass hier Verhaltensmuster zu beobachten sind. Interpretiere nicht einzelne Handlungen wie zum Beispiel einen verweigerten Handschlag über, denn hier kann es viele Gründe geben.
Durch die mediale Präsenz islamistischer wie rechtsextremistischer Gewalt in den letzten Jahren kursiert viel Halbwissen zu Radikalisierungsprozessen, was auch einer Stigmatisierung Vorschub leisten kann. Einem anderen Menschen wird dann von außen regelrecht das Etikett „Radikaler, Extremist oder Terrorist“ auf die Stirn geklebt, wenn er sein Leben aus welchen Gründen auch immer verändert hat. So sind Änderungen im Lebensstil, z.B. der Ernährung, Schlafgewohnheiten, Hobbies, Kleidung oder eine Ablehnung der vorherigen Lebensweise, nicht per se Indikatoren einer Radikalisierung und sollten auch nicht als solche thematisiert werden. Das plötzliche Tragen eines Kopftuches oder der verweigerte Handschlag gegenüber einem Nichtmuslim oder einer Nichtmuslimin kann viele Hintergründe haben und deutet in den seltensten Fällen auf Radikalisierung hin.
Solche Vorverurteilungen spielen extremistischen Gruppen eher in die Hände: Islamistische Gruppen suggerieren ihren Rekrut:innen, dass Muslim:innen im Westen ihre Religion nicht so ausleben dürfen, wie sie möchten. Bevor sie Menschen an sich binden, versuchen sie bei ihrem Gegenüber jedes vorherrschende Diskriminierungsgefühl, jede Irritation und jedes Gefühl des Ausschlusses zu verstärken. Rechtsextreme verfahren ganz ähnlich: Sie inszenieren sich als Freiheitskämpfer:innen für jene, die glauben, sie würden mundtot gemacht und dürften ihre Meinungen und Sorgen nicht offen ausdrücken.

Was kann ich dagegen tun?

Generell gilt also, wenn du ein Verhalten nicht einordnen kannst, frage zunächst erstmal interessiert und wertschätzend bei der Person nach, die dieses Verhalten zeigt, und gehe nicht gleich vom Schlimmsten aus. Viele Missverständnisse klären sich bereits in einem Gespräch, in dem beide ihre Sichtweisen kundtun können.
Ein weiterer Ratschlag: Bleibe nicht im Abstrakten. Dies tust du, wenn du etwa im Gespräch den Begriff „Radikalisierung“ nutzt. Brich diesen abstrakten Begriff auf! Wenn Verhaltensmuster gezeigt werden, die gegen die Unternehmenskultur oder das Grundgesetz verstoßen, werde so konkret wie möglich: Welches Verhalten macht dir Sorgen, welches Verhalten kannst du nicht akzeptieren? Lasse dich zudem nicht in ideologische Diskussionen verwickeln, bleibe auf der Verhaltensebene. Klarheit über die Grundrechte ist in deiner Organisation keine Verhandlungssache.
Wenn du den Verdacht hast, dass sich ein:e Kolleg:in radikalisiert, kannst du dich auch an eine der angegebenen Ansprechpersonen wenden.
Dieser Artikel wurde von Evermood erstellt und zuletzt am aktualisiert.